Der moderne Raumbegriff
Ich stelle im Folgenden den mathematischen Raumbegriff vor, der von Bernhard Riemann ausging, und durch die Relativitätstheorie sozusagen mit der Wirklichkeit fest verbunden wurde. Riemanns berühmter Habilitationsvortrag aus dem Jahre 1854 trägt den Titel "Über die Hypothesen, die der Geometrie zugrunde liegen". Dies ist kühn, denn bis kurz vor Riemann schien das Gebäude der euklidischen Geometrie der Weisheit letzter Schluss zu sein und wurde durch die Entdeckung nicht-euklidischer Geometrien durch János Bolyai, Carl Friedrich Gauß und Nikolaj Iwanowitsch Lobatschefskij zwar erschüttert, aber im Geiste nicht wirklich über den Haufen geworfen. Dass Riemann von dem Raum spricht, könnte ein Hinweis darauf sein, dass Riemann noch der Vorstellung eines absoluten Raumes anhängt, aber die oben angedeutete erkenntnistheoretische Revolution spiegelt sich in dem Wort "Hypothesen" wider.
Es ist interessant festzustellen, dass dieser innerhalb der Mathematik vollzogene kühne Schritt rund 60 Jahre später durch Albert Einstein in der Physik in ähnlicher Weise vollzogen wurde, wobei besonders in der allgemeinen Relativitätstheorie der Riemann'sche Raumbegriff eine zentrale Rolle spielt. Leser, die sich mit der Relativitätstheorie beschäftigt haben, werden bei den folgenden Darstellungen erstaunliche Parallelen wiederfinden.
Ich gehe bei der Herleitung des Raumbegriffes nach folgendem Grundprinzip vor. Ins Zentrum rücke ich einen Teilaspekt des Anschauungsraumes, der unserer Anschauung nach derzeitiger Kenntnislage besonders entspricht. Dann formuliere ich zwei plausibel klingende Postulate und diskutiere anschließend, was man über den so definierten, so "angeschauten" Raum aussagen kann. |